LEHRÜBUNG HINTERHALT - Teil 3
Die Infanterieschule der Bundeswehr lädt ein
und 1.400 kommen nach Hammelburg!
Hallo liebe Kameraden!
Heute möchte ich Euch herzlich zum dritten Teil der LEHRÜBUNG HINTERHALT einladen! In den ersten beiden Teilen haben wir Schritt für Schritt miterlebt, wie die verstärkte Infanteriekompanie den Raum entlang der Straße gewonnen hat, um die Bewegungsfreiheit für eigene und afghanische Sicherheitskräfte sicherzustellen. Wir haben gesehen, wie die Kompanie durch taktisch richtigen, flexiblen Einsatz jeden möglichen Hinterhalt von vornherein verhindert hat! Wir haben auch gesehen, mit welchem hohen taktischen Verständnis der Kompaniechef seine Kräfte einsetzen muß, damit ein solches Unternehmen auch gelingt! Viele solcher Patrouillen gibt es in Afghanistan seit Jahren und wird es auch noch einige Jahre geben. Ein genauer Blick auf die speziellen Verhältnisse in Afghanistan lohnt an dieser Stelle ganz besonders!
Afghanistan ist annähernd doppelt so groß wie Deutschland und hat etwa dreißig Millionen Einwohner. Auf jeden dritten Afghanen kommt eine Mine meist sowjetischen Ursprungs - davon gibt es nämlich etwa zehn Millionen! Die afghanischen Stämme weisen heute eine nunmehr schon jahrhundertealte Tradition des Kampfes gegen fremde Armeen in ihrem Land auf! In drei aufeinanderfolgenden Jahrhunderten wurden zuerst die Briten, dann die Sowjets und werden jetzt die von der NATO geführten Truppen mit einer Strategie des langen Atems von den Widerstandsgruppen bekämpft. Dabei werden die Aktionen ausschließlich durch taktische Zweckmäßigkeit bestimmt - das in unseren Breiten übliche Kriegsvölkerrecht findet dabei keine Beachtung!
Stets gab und gibt es in Afghanistan zu wenig Truppen, um neu in Besitz genommene Landesteile auch dauerhaft abzusichern und dort den Aufbau eines afghanischen Gemeinwesens zu fördern! Deswegen wird unsere verstärkte Infanteriekompanie nach einer kurzen Phase der Sicherung des Raumes entlang der Straße wieder abgezogen. Der nächste Auftrag steht schon an und mit einem Gefühl dieses nur kurzfristig erledigten Auftrages befiehlt der Kompaniechef seinen Kräften das Abrücken. Unsere Straße wird wieder zur Benutzung durch die afghanische Bevölkerung freigegeben. Schon sehen wir einen ersten Bauern mit seinem treuen Transportgefährten, der seinen Tagesgeschäften nachgeht. Und sogleich können wir jetzt zwei immerwährende Konstruktionsideen des afghanischen Widerstandes mit verfolgen.
Zum ersten trachtet man danach, Gefechte mit überlegenen Kräften zu vermeiden - in die von den NATO geführten Truppen geräumte Gebiete hingegen wird bald wieder geschickt infiltriert! Zweitens sieht ein Kämpfer des afghanischen Widerstandes meist aus wie jeder andere Afghane - vielfach wird nur im Gefecht die Kalaschnikow samt Zubehör mitgeführtt! Wir entdecken zwei Männer in der typischen afghanischen Landestracht, die unsere Straße entlangschlendern. Die beiden Männer verlassen die Straße und hantieren nahe bei einer Baumgruppe an Gegenständen herum, die wir nicht genau erkennen können. Anschließend schlendern die Afghanen wieder gelassen davon und entschwinden schon wieder bald unserem Blickfeld. Wieder vergeht einige Zeit - in Afghanistan vielleicht Tage, Wochen oder sogar Monate!
Eines Tages erhält dann die verstärkte Infanteriekompanie den Auftrag, eine Patrouille entlang unserer Straße durchzuführen. Nach genauer Auswertung aller vorliegenden Aufklärungsergebnisse faßt der Kompaniechef den Entschluß, den Jägerzug "Alfa" mit seinen Boxern entlang der Straße anzusetzen. Für diesen Auftrag wird "Alfa" einer der beiden Fennek des Joint Fire Support Teams zugeteilt, um schnelle und präzise Steilfeuerunterstützung sicher zu stellen. Nach dem genauem Einblick in das Gelände rollt der erste Halbzug mit seinen Boxern los - gefolgt von dem Fennek. Beide Boxer rollen das Angelände sichernd an der Baumgruppe vorbei und es geschieht - nichts! Als dann der Fennek der Joint Fire Supporter an der Baumgruppe fast schon vorbei ist, erfolgt eine gewaltige Explosion - dargestellt durch künstlichen Rauch!
Der Fennek rollt aus und bleibt in einer riesigen Rauchwolke stehen - ein Hinterhalt! Die normale menschliche Reaktion in einer solchen Situation ist Lähmung oder Panik. In der verstärkten Infanteriekompanie ist jedoch jetzt keine Zeit dafür - es gilt, unverzüglich die Initiative zurück zu gewinnen! Alle Soldaten der Kompanie wissen das aus der Einsatzvorbereitung und genau in diesem Sinne befiehlt der Kompaniechef dem Zug "Alfa", den angesprengten Fennek abzusichern und die Besatzung zu bergen. Zügig rollt der zweite Halbzug mit seinen Boxern nach vorne und der Jägerzug "Alfa" bildet einen Sicherungsring um den Fennek. Einer der Boxer entdeckt beim in Stellung gehen mit seinem Wärmebildgerät eine Gruppe Aufständischer bei einem Gehöft gegenüber, was sofort dem Kompaniechef gemeldet wird! Am Kompaniefunk hört sich der sogleich darauf folgende Befehl des Kompaniechefs dann so an:
"Brutus an alle Gefechtsbefehl: IED - Anschlag auf "Alfa" bei Wege T - zwo Verwundete sowie Ausfall Fennek von Joint Fire - Feind in Gruppenstärke südlich LOC SIRIUS in Compound in Stellung - bewaffnet mit Handfeuerwaffen und RPG - "Alfa" steht im Feuerkampf. Meine Absicht ist es, Feind durch "Alfa" und "Bravo" niederzuhalten und durch Gegenstoß von "Charlie" zu werfen, um Verwundetenversorgung und Abtransport durchzuführen.
Dazu befehle ich:
"Alfa" hält derzeitige Stellung, bindet Feind, versorgt Verwundete und bereitet Fennek - Bergung vor.
"Bravo" bezieht Stellung nördlich Eschenbach und überwacht Gegenstoß von "Charlie".
"Charlie" zerschlägt Feind durch Gegenstoß in rechte Flanke auf Befehl.
EOD stellt sich bereit, Hubschrauberlandeplatz südostwärts Eschenbach abzusichern und stellt Aufnahme Medevac sicher.
Beweglicher Arzttrupp stellt sich bereit, Verwundete zu übernehmen und zu versorgen.
Ich befinde mich bei "Alfa" im Schwerpunkt."
Zum Schutz der Rettungsaktion wird mit der Nebelmittelwurfanlage des Boxers eine Nebelwand aufgebaut, um Schutz
vor gezieltem Flachfeuer zu bieten. Die Jägergruppe sitzt rasch vom Boxer ab und birgt die Verwundeten aus dem Fennek. Nach der Erstversorgung unter infanteristischer Absicherung rollt der dem
Zug zugeteilte Rettungstrupp mit seinem Fuchs heran und nimmt die Verwundeten auf. Man beachte die abgeklebten roten Kreuze an dem Fuchs, von denen uns berichtet wird, daß sie in Afghanistan als
vorzügliche Zielmarkierungen für die Widerstandsgruppen dienen! Anzumerken wäre auch noch, daß das Kreuz wie wir es kennen für die Afghanen ein religiöses Symbol darstellt, das nicht mit
Wohlwollen bedacht wird! Von einem Boxer eskortiert transportiert der Fuchs die Verwundeten in den Stellungsraum der Kompanie zurück. All dies können wir mit
der folgenden Bilderserie ganz genau verfolgen!
Sicher erreicht der Rettungstrupp mit seinem Fuchs den Stellungsraum der verstärken Infanteriekompanie. Sofort
übernimmt der dort bereitgestellte bewegliche Arzttrupp die weitere medizinische Versorgung der Verwundeten. Der Kompaniechef steht jetzt vor einer schwierigen Lage, die unter höchstem Zeitdruck
seine ganze militärische Führungskunst fordert! Er setzt den Panzergrenadierzug "Charlie" mit seinen Mardern zum Angriff in die rechte Flanke der Aufständischen ein. Der Panzergrenadierzug rollt
aus seinem versteckten Bereitstellungsraum hinter einer Geländekante und entfaltet sich vorwärts des Stellungsraumes der Kompanie zur Angriffsformation. In schneller Fahrt geht es durch das
offene Gelände bis zum Zwischenziel - einer vor dem Wald gelegenen Gehöftgruppe, bei der die Aufständischen gesichtet worden sind.
Die Panzergrenadiere sitzen von ihren Schützenpanzen ab und säubern das Anwesen, während die Schützenpanzer mit
ihren Maschinenkanonen die Aktion absichern. Danach geht es wieder aufgesessen weiter zum Angriffsziel - dem Wald, in dem die Aufständischen entdeckt worden sind. Wir sehen die Marder hinter
Waldecken und im Wald verschwinden und hören das Feuer ihrer Maschinenkanonen. Am Waldrand bleibt nur ein Fuchs zurück, von dem aus mit Maschinengewehren in den Wald hinein gesichert wird. Jetzt
ist auch Gewehrfeuer und Maschinengewehrfeuer aus dem Wald an unserem Lehrübungsberichterstatterplatz zu hören! Der Panzergrenadierzug "Charlie" zerschlägt die feindliche Gruppierung im Wald und
dessen Angelände! Wieder einmal hat der Panzergrenadierzug mit seinem entschlossenen Stoß als eiserne Faust des Kompaniechefs seinen hohen taktischen
Einsatzwert bewiesen!
Mit dem erfolgreichen Angriff seines Panzergrenadierzuges hat der Kompaniechef durch sein entschlossenes Handeln die Handlungsfreiheit umgehend wieder zurück gewonnen! Durch diesen Erfolg ist die Gefährdung der verstärkten Infanteriekompanie durch feindliches Flachfeuer ausgeschaltet. Dadrch ergibt sich jetzt aber auch die Möglichkeit, die Verwundeten mittels Hubschrauber auszufliegen und - quasi als taktisches Nebenprodukt - den angesprengten Fennek zu bergen! Rasch werden die in einem gesicherten Feldlager bereitgestellten CH 53 Hubschrauber angefordert, um die Verwundeten auszufliegen! Dieses Airmedevac genannte Verfahren wird derzeit im deutschen Einsatzgebiet in Afghanistan noch durch Hubschrauberkräfte der US Army durchgeführt. Nach dem Abzug dieser Hubschrauber soll zukünftig der neue Mehrzweckhubschrauber NH 90 diese Aufgabe übernehmen.
Wenige Minuten nach der Anforderung dröhnt die Luft und der erste CH 53 fliegt im Konturenflug aus einer Geländefalte heraus! Er überfliegt den mit künstlichem Rauch markierten Landeplatz und landet nach einer sauber geflogenen Wende. Dabei unterstützt der auf der geöffneten Heckklappe liegende Beobachter seine Piloten. Bei der Landung wird durch den riesigen Hubschrauber mächtig viel Staub aufgewirbelt! Die Schwestermaschine der Rotte bleibt in der Luft und sichert achterfliegend die Aktion von oben ab. Deutlich können wir von unten die beiden Bordschützen in den seitlichen Türen und den auf der Heckklappe sitzenden Beobachter erkennen! In Minutenschnelle sind die Verwundeten in den CH 53 verladen und der Hubschrauber startet in einer riesigen Staubwolke! Zum Finale verschwinden dann beide Hubschrauber in der Geländefalte, aus der sie gekommen waren - Auftrag erfüllt!