SCHLAGKRAFT 2013 - Teil 2
Das Jägerbataillon Wien 2 "Maria Theresia"
übt Kampf im urbanen Raum und
Scharfschießen mit Unterstützungswaffen
Hallo liebe Kameraden!
Nach über zweistündigem Straßenmarsch der beiden Marschpakete in das Waldviertel - einer Region mit faszinierender, manchmal auch urtümlicher Landschaft - trifft das Jägerbataillon Wien 2 "Maria Theresia" im Lager Kaufholz ein. Das Lager Kaufholz liegt am nördlichen Rand des für uns österreichischen Soldaten so legendären Truppenübungsplatzes Allentsteig. Dort haben schon Generationen österreichischer Soldaten ihre Manöver und Übungen abgehalten. - genau die richtige Zeit, diesen Truppenübungsplatz etwas genauer vorzustellen! Der Truppenübungsplatz Allentsteig ist mit etwa 157 Quadratkilometern der größte Truppenübungsplatz des Österreichischen Bundesheeres. Dieser Übungsraum wurde in der Zeit des Dritten Reiches geschaffen, weil dieser Teil des Waldviertels recht dünn besiedelt war und dafür sehr gut geeignet war - damals mit dem Namen Truppenübungsplatz Döllersheim. Zur Schaffung des Truppenübungsplatzes wurden rund 6.800 Menschen aus zweiundvierzig Ortschaften abgesiedelt. Im Zweiten Weltkrieg wurden dann auf dem Truppenübungsplatz laufend deutsche Kampfverbände zusammengestellt und für den Fronteinsatz vorbereitet. Dort gab es auch einige Kriegsgefangenenlager, von denen das bekannteste das Lager Edelbach für französische Offiziere war. An diese düsterste Zeit gemeinsamer deutsch - österreichischer Geschichte erinnert uns heute noch der Soldatenfriedhof Allentsteig, auf dem fast viertausend Soldaten des Zweiten Weltkrieges ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.
Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die Sowjetunion den Truppenübungsplatz und wickelte dort einen ziemlich intensiven Übungsbetrieb ab. Nach der Wiedererlangung der vollen Eigenstaatlichkeit 1955 hat das Österreichische Bundesheer dann den Truppenübungsplatz Allentsteig in Besitz genommen. Heute befinden sich dort die Liechtensteinkaserne - ein Standort des Aufklärungs- und Artilleriebataillons 4 - und das Lager Kaufholz als Unterkunft für übende Truppen. Im Kalten Krieg war der Truppenübungsplatz eine vor allem auf die Raumverteidigung und den Panzerkampf ausgerichtete Übungsfläche.
In den letzten Jahren wurden dort zusätzliche Ausbildungsanlagen errichtet, um auch Einsatzvorbereitungen für das heutige Spektrum an Einsätzen durchführen zu können. Der Truppenübungsplatz Allentsteig wird auch von anderen Armeen sehr gerne zum Training und zur Einsatzvorbereitung benützt. So konnten wir heuer schon bei der Übung EUROPEAN ADVANCE 2013 Kontingente aus Deutschland, Frankreich und Italien begrüßen! Am Truppenübungsplatz Allentsteig ist also richtig was los - im Jahresdurchschnitt üben etwa 30.000 Soldaten an rund 200 Tagen! Aber - und das ist ganz bemerkenswert - dieser Übungsraum ist auch ein Naturparadies mit seltener Fauna und Flora!
Nach dem Eintreffen im Lager Kaufholz beziehen die Kompanien des Jägerbataillons Wien 2 "Maria Theresia"
ihre Unterkünfte und beginnen sogleich mit der Vorbereitung ihrer Bewaffnung und Ausrüstung für die SCHLAGKRAFT 2013. Der Bataillonsstab bezieht seinen Gefechtsstand im Command Post 01 und stellt
mit Freude fest, daß die Verlegung von Wien nach Allentsteig absolut planmäßig und unfallfrei verlaufen ist. Wie es natürlich auch in einem Einsatz vorkommen kann und auch vorkommt, gab es aber
Probleme mit den vom Bataillonsstab angeforderten Transportmitteln. Statt der eingeplanten vier Hakenladesysteme standen nur zwei solcher Fahrzeuge für die
Transporte der Container vom Mobilmachungslager Breitensee nach Allentsteig zur Verfügung. Kurzerhand verdoppelte man im Bataillonsstab die Zahl der Transporte für die beiden Hakenladesysteme und
nahm wegen verspätet eingetroffener Teile der Ausrüstung kurzfristige Umplanungen im Einsatztraining vor. Wir haben das Eintreffen der Maria Theresienjäger und die geschäftige Stimmung im Lager
Kaufholz mit der Kamera eingefangen - viel Vergnügen mit unserer ersten Bilderserie!
Seit dem Jahr 2008 leben auf unserem Planeten erstmals mehr Menschen in Städten als auf dem Land und der Trend zur Verstädterung - Urbanisierung genannt - wird sich in den nächsten Jahrzehnten weiter fortsetzen. Bei der Analyse aktueller militärischer Einsätze stellt man auch eindeutig fest, daß Einsätze im verbauten Gebiet zunehmend an Bedeutung gewinnen! Diesen Einsatzerfordernissen folgend hat die Heerestruppenschule schon bald nach ihrer Aufstellung Verfahren und Gefechtstechniken entwickelt, um Einsätze im urbanen Raum durchführen zu können. Bemerkenswert rasch hat man danach auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig mit den vereinten Ideen und Kräften mehrerer Verbände für diese neue Ausbildung die Urbane Trainingsanlage Steinbach in's Leben gerufen.
Dafür wurde das für die Schaffung des Truppenübungsplatzes von den Einwohnern verlassene Dorf Steinbach ausgewählt. Der schon vorhandene Häuserbestand mit einer kleinen Dorfkirche wurde um mehrere neue Gebäude und eine ganze Menge Fassadendarstellungen erweitert. So entstand schließlich eine Ortschaft mit Gehöften, Häusern mit komplettem Innenleben und mit Fassaden und dahinter angedeuteten Innenräumen. Damit ist das Einsatztraining für den Kampf auf Straßen, auf Flächen zwischen den Häusern und in den Häusern möglich. Das Anlegen von zwei Trümmerstrecken ermöglicht die Ausbildung für den Kampf in Trümmerfeldern und das Training für die Rettung und Bergung von Verschütteten an Schadstellen, die durch vorangegangene Kämpfe oder durch Terroranschläge entstanden sind. Die Urbane Trainingsanlage Steinbach entstand in mehreren Monaten Bauzeit und wurde im November des Jahres 2011 feierlich eröffnet.
Ausbildung und Training in Steinbach beginnen stets mit dem Kennenlernen der Ortschaft anhand der
Schautafel und mit der Einweisung in die Sicherheitsbestimmungen. Steinbach bietet auch beste Möglichkeiten für die taktische Schulung von Kommandanten am Sandkasten in Orginalgröße. In einem
unscheinbaren Haus in der Ortschaft ist die sogenannte Türaufbruchsanlage untergebracht. Dort können bis zu acht Soldaten gleichzeitig das bei Einsätzen im urbanen Raum oftmals notwendige Öffnen
von versperrten Türen mit Werkzeugen üben. Es ist möglich, das Aufschlagen von nach innen öffnenden Türen und das Aufbrechen von nach außen aufgehenden Türen zu trainieren. Die Verriegelung der
Türen wird durch den Einsatz von Holzleisten dargestellt, die nach jedem erfolgreichen Übungsdurchgang erneuert werden. Das für das Training notwendige Werkzeug ist im Ausrüstungssatz Urbanes
Umfeld - von der Truppe erdig Ortskampfausrüstungssatz genannt - zusammengestellt. Der erste Jägerzug des Jägerbataillons Wien 2 "Maria Theresia" ist auch schon zum Einsatztraining im urbanen
Raum angetreten und marschiert schon zu den in der Ortschaft verteilten Trainingsstationen.
Das Einsatztraining der Maria Theresienjäger in der Urbanen Trainingsanlage Steinbach beginnt mit Erlernen und Trainieren der für Einsätze im urbanen Raum notwendigen Gefechtstechniken. Gefechtstechniken sind standardisierte Verfahren vor allem auf Truppebene und Gruppenebene, die nach dem Erlernen durch oftmalige Wiederholung drillmäßig trainiert werden. Der Kommandant kann mittels Anwendung dieser Gefechtstechniken seine Kräfte ganz nach Lage und Absicht mit kurzen Kommandos reaktionsschnell zum Einsatz bringen. Ureigenstes Metier des Jägers ist ja bekanntlich der abgesessene Einsatz und Kampf - diesen "Combatboots on the Ground" wollen wir uns jetzt gleich widmen!
Als erste Gefechtstechnik wird das Vorgehen entlang von Straßenzügen und in Räumen zwischen den Häusern im urbanen Raum trainiert. Dazu sind uns ja schon seit Generationen von Infanteristen die drei Klassiker des Infanteristen - Waffe zeigt immer in Blickrichtung - Deckung erst verlassen, wenn die nächste Deckung schon bekannt ist - Feuerschutz durch Feuerunterstützungselement sicherstellen - überliefert. Dazu kommen in der Urbanen Trainingsanlage Steinbach noch die drei Klassiker des Infanteristen für die Bewegung im urbanen Raum - Abstand von Mauern zwischen ein und eineinhalb Meter, um die Splitterwirkung zu vermindern - Gebäudeecken immer kampfbereit und mit Sicherung überwinden - Immer danach trachten, vor Gebäudeöffnungen kein Ziel zu bieten - hinzu!
Die zweite Gefechtstechnik dient dem Absetzen der Jägergruppe aus Räumen, von denen der
Gruppenkommandant beurteilt hat, daß weiteres Verweilen in diesen Räumen taktisch nachteilig wäre. Diese Gefechtstechnik läßt sich trefflich mit den drei Handlungssträngen - Klein machen, um die
Zielfläche für die feindliche Waffenwirkung zu verkleinern - Feuereröffnung der vordersten Jäger der Gruppe, um eine örtliche Feuerüberlegenheit aufzubauen -
Beginn des Absetzens mit dem vordersten Jäger der Gruppe in die nächste Deckung, dem Zug um Zug die ganze Gruppe folgt - beschreiben. Diese Gefechtstechnik wird als Wegedrill bezeichnet und
stellt noch relatives Neuland im Österreichischen Bundesheer dar. Zur realistischeren Gestaltung des Einsatztrainings hat man Vorgehen im urbanen Raum und Wegedrill in eine Lage zusammengefügt
und gemeinsam ausgebildet und trainiert.
Mit regelmäßigem Feedback helfen Instruktoren den Soldaten Schritt für Schritt den Ablauf der Gefechtstechniken zu verbessern. Speziell beim Handlungsstrang - Kleinmachen, um die Zielfläche für die feindliche Waffenwirkung zu verkleinern - gilt es vielfach noch das Profil der Maria Theresienjäger im urbanen Kampf zu schärfen! Dabei wird als Trainingsziel die goldene Mitte zwischen Wirkung und Deckung angestrebt. Die Gefechtstechnik Wegedrill im urbanen Raum stellt doch noch relatives Neuland im Jägerbataillon Wien 2 "Maria Theresia" dar. Als Beobachter des Einsatztrainings stellt man aber auf jeden Fall fest, daß mit jedem Trainingsdurchgang die Abläufe des Wegedrills flüssiger werden und immer besser sitzen!
Militärische Einsätze fordern des öfteren leider Verluste unter den eingesetzten Soldaten. Gelebte
Fürsorge für Soldaten im Einsatz gebietet daher die Bereitstellung der bestmöglichen Sanitätsversorgung durch das Österreichische Bundesheer. Als erster Schritt dazu ist es notwendig, verwundete
und verletzte Soldaten aus dem Gefahrenbereich zu bergen und in die nächste Deckung zur Erstversorgung durch Kameraden zu bringen. Die Instruktoren in unserer folgenden Bilderschau haben getreu
dem Grundsatz "Keine Ausbildung ohne Lage!" gleich ein urbanes Szenario dazu gestaltet. Bei einer Patrouille in der Ortschaft Steinbach wird ein Jäger durch
Heckenschützen verwundet. Beim Bergen des verwundeten Kameraden werden dann die neuen Gefechtstechniken Vorgehen im urbanen Raum und Wegedrill mit dem etappenweisen Transport des Kameraden zur
Erstversorgung und dem Schützenigel zur Rundumsicherung bei der Hilfeleistung zusammengefügt!
Beim Kampf im urbanen Raum sind Straßen genauso wie größere Flächen zwischen den Häusern vorhersehbar die Schwerpunkte gegnerischer Waffenwirkung. Stets wird sich ein Gegenüber bemühen, mit weitreichenden Flachfeuerwaffen wie speziell mit Maschinengewehren und mit Granatmaschinenwaffen diese Bereiche zu beherrschen. Deshalb ist es taktisch zweckmäßig, für das weitere Vorgehen in einer Ortschaft wichtige Gebäude einznehmen und das Vorgehen von Haus zu Haus anzustreben. Das Einnehmen eines Gebäudes ist eine Gefechtsaufgabe für den Jägerzug, dem dafür eine sogenannte Einbruchsstelle im Einbruchsraum der Kompanie befohlen wird.
Der Kommandant des Jägerzuges bildet für das Eindringen in das Gebäude aus seinen Kräften zum einen das Stoßelement, dem er einen sogenannten Eindringpunkt in das Bauwerk befiehlt. Aus den anderen Jägergruppen seines Zuges wird das Feuerunterstützungselement gebildet, desssen Auftrag die Feuerunterstützung des Stoßelementes durch Niederhalten des Gegners ist. Es bietet sich an, das Fuerunterstützungselement aus dem eigenen Verfügungsbereich des Jägerbataillons mit überschwerem Maschinengewehr, Panzerabwehrrohr und Scharfschützen zu verstärken. Auch der Schützenpanzer Ulan und der Kampfpanzer Leopard können bei Verfügbarkeit mit ihren Wärmebildgeräten, ihren leistungsfähigen Funkgeräten und natürlich ihrer weitreichenden Feuerkraft wertvolle Unterstützung leisten.
Der Kommandant des Stoßelementes wählt aus seinen Kräften eine Spitzengruppe aus, die er mit dem Stoß in
das Angriffsziel am Eindringpunkt beauftragt. Dazu nimmt die Jägergruppe die Gefechtstechnik zum Stoß ein, durch die mit der Möglichkeit zur Waffenwirkung mehrerer Jäger rasch eine ganze
Jägergruppe an den Eindringpunkt vorrückt. In dieser Gefechtsphase können Leopard und Ulan auch als fahrende Deckungen wertvolle Unterstützungsdienste leisten. Am Eindringpunkt angekommen sichert
die Stoßgruppe ihre unmittelbare Umgebung und dringt durch Gebäudeöffnungen in den ersten Raum des Hauses ein. Das Stoßelement und das
Feuerunterstützungselement bestreiten somit in enger Abstimmung die Gefechtsaufgabe Einnehmen eines Gebäudes im Rahmen des Jägerzuges. Wir haben in der Ortschaft Steinbach das Einsatztraining für
den Auftrag der Stoßgruppe vor und am Eindringpunkt in unserer folgenden Bilderserie eingefangen!
So Kameraden - über die Zwischenetappen Kennenlernen der Urbanen Trainingsanlage Steinbach, Vorgehen auf Straßen und
Flächen zwischen den Häusern, Wegedrill und Wegedrill mit Kameradenhilfe für Verwundete sind wir mit der Stoßgruppe bis an das erste Gebäude gelangt, dessen Einnahme Auftrag der Stoßgruppe ist. Wie es nun mit dem Kampf im urbanen Raum im Gebäude weitergeht ist genau der richtige Stoff für den dritten Teil der
SCHLAGKRAFT 2013! Jetzt ist hingegen genau die richtige Zeit, den Öffentlichkeitsarbeitern der Maria Theresienjäger unter dem Kommando von Oberleutnant Gregor Roesler - Schmidt für die
freundliche und gediegene Unterstützung beim Entstehen dieses Artikels ganz herzlich zu danken - vielen Dank Kameraden! Im dritten Teil wollen wir uns dann
neben dem Kampf im urbanen Raum aber auch noch weiteren Bereichen des Einsatztrainings bei der SCHLAGKRAFT 2013 widmen!
Ich freue mich schon auf ein Wiedersehen beim Jägerbataillon Wien 2 "Maria Theresia"!
Und so schließe ich mit dem genau passenden neuen Wahlspruch - "Haben herzhaft agiert, alles bedacht und alle Kräfte
angespannt!"
Beste Wünsche und kameradschaftliche Grüße
Euer Weinviertler